„Was guckt ihr so?“
Himmelfahrt. Vatertag. Ein freier Feiertag für viele – und alle hoffen auf schönes Wetter. Ein Tag zum Draußen-Sein. Die einen mit Bollerwagen und Bier, die anderen mit Fahrrad, Kind und Kegel und auch die Kirchgänger - mit Posaunen und Gesängen. Alle zieht‘s nach draußen, unter Gottes freien Himmel.
Das war auch damals schon so, beim ersten Himmelfahrtstag, von dem es in der Bibel heißt, dass die Jünger gemeinsam mit dem auferstandenen Jesus nach draußen gingen. Dort legte er ihnen erst noch ganze Welt ans Herz („Ihr sollt meine Zeugen sein…“) bevor er, von einer Wolke aufgenommen, in den Himmel fuhr. Und die Jünger standen da, reckten die Köpfe nach oben und schauten ihm nach. Und als sie so dastanden wurden sie von zwei fremden Männern angesprochen: „Was guckt ihr so?“ Die Männer erklären ihnen dann, dass Jesus nicht für immer weg ist und die Jünger, auch die Welt, nicht alleingelassen sind, sondern dass er wiederkommt – So, wie ihr ihn habt auffahren sehen, so werdet ihr ihn kommen sehen.
Und so kehrten die Jünger um, gingen zurück ins Leben, gingen hinein in die Welt…..
„Was guckt ihr so?“ Wenn heute am Himmelfahrtstag der Blick nach oben wandert, dann halten wir in der Regel nach Regenwolken oder die Optimistischeren unter uns nach Sonnenstrahlen Ausschau. Der Blick zum Himmel, um dort nach Zeichen der göttlichen Ab- oder Anwesenheit zu suchen, der ist uns irgendwie abhandengekommen. Wir gucken nicht mehr. Selbst die, die noch mit Gott rechnen, tun dies vor allem in den eigenen vier Wänden, im Herzenskämmerlein oder innerhalb der ihnen gewohnten Kirchenmauern.
Dabei war den Jüngern damals doch die ganze Welt ans Herz gelegt worden! Überall sollten sie Jesu Zeugen sein, nach ihm Ausschau halten, für ihn und seine Sache eintreten. Im privaten wie auch im öffentlichen Leben! Doch natürlich ist das auch unbequem und gefällt nicht jedem. Die Kirche habe sich aus der Politik herauszuhalten. So heißt es auch gegenwärtig immer wieder. Die sollen beten und Trost spenden und sich lieber einmal fragen, warum die Kirchenbänke immer leerer werden. Stimmt. Das sollen, das müssen wir! Aber wenn wir dabei die Kirche des Herren bleiben wollen, der in den Himmel fuhr, nicht um sich aus der Welt heraus zu stehlen, sondern um in dieser Welt auf neue Weise und nun überall zugegen zu sein, dann müssen wir auch überall nach ihm gucken. Auch und erst recht dort, wo sich eine Gesellschaft, Kultur und Politik immer wieder auf ihre christlichen Werte berufen. Doch wie erkennen wir ihn - in der Kirche, in der Welt? Jesus kommt auch heute nicht anders als damals, nämlich dort, wo Ausgegrenzte aufgenommen werden, wo den Armen Gerechtigkeit widerfährt, wo Versöhnung den Hass und die Feindschaft überwindet. Also los: nichts wie raus und gucken!
Jutta Müller-Schnurr, evangelische Pfarrerin an der St. Johanniskirche