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Wort zum Wochenende

Vom Sommer zum Herbst

Jetzt bricht sie an, meine liebste Jahreszeit: Spätsommer. Und doch ist in diesem September 2022 vieles anders, so Margit Rotter

Vom Sommer zum Herbst

Jetzt bricht sie an, meine liebste Jahreszeit: Spätsommer. Der Sommer neigt sich dem Ende zu und schenkt uns ei­nen Korb voller rei­fer Früchte: Die Gärten sind ge­füllt mit satten Tomaten und sprießenden Kraut­köpfen. Die Felder abgeerntet, die Bäume verziert mit roten Äpfeln, an den Reben hängen für die Kelter bereite Trau­ben. September: Zeit der Fülle und Reife. In alten Zeiten auch „Scheiding“ genannt - Übergangsmonat vom Sommer in den Herbst. Wir müssen Abschied nehmen von langen Sommeraben­den auf der Terrasse, Vogel­stimmen am hellen Morgen, Sand zwischen den Zehen, der Leichtigkeit des Seins.

Und doch ist in diesem September 2022 vieles anders: Das sonst so leuchtende Fi­nale der Natur glänzt heuer etwas matter. Der nicht enden wollende Hochsommer hat unsere Landschaft verwandelt. Böden trockneten aus, Wiesen, Parks und Gär­ten wurden braun, Gletscher schmolzen, Wälder brannten.

In seinem Gedicht „Herbsttag“ beschreibt der Lyriker Rainer Maria Rilke den Über­gang vom Sommer zum Herbst:

Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnen­uhren, und auf den Fluren lass die Winde los.

Be­fiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südliche Tage, drän­ge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben“.

Schön, dass Rilke sein Gedicht in Form eines Gebets beginnt. Er, der zeitlebens in kontroverser Auseinandersetzung mit dem Christentum stand, bindet in seiner Be­trachtung „Herbsttag“ Gott als Ursprung allen Lebens ein. Ja, der Wechsel der Jah­reszeiten lässt immer wieder staunen: „Wie wunderbar sind seine Werke“ (Psalm 139). Der dritte Teil des Gedichtes bringt mich jedoch auf den Boden der Tat­sachen zurück. Anstatt mich auf lan­ge Abende bei Kerzenschein in der wohlig temperierten Wohnung zu freuen, kriecht Unbehagen in mir hoch. Mit dem Herbst kommt auch die Kälte und erstmals in meinem Leben die Angst, dass die Energie knapp wird. Es ist nichts mehr, wie es war. Das dämpft zugegebenerweise meine Freude am Far­benspiel des Herbstes.

Margit Rotter

Leiterin des Dekanatsbüros Würzburg