Sie stiftet Beziehung
Darf ich Sie auf eine spirituelle Wanderung mitnehmen? Sie kennen den Fränkischen Marienweg? Einige Strecken, einige Stationen? Dann sind Sie wie ich einer faszinierenden Frau begegnet. Ihre Bilder erzählen von der Schönheit christlichen Glaubens.
Ich sehe sie im Gespräch mit dem Engel, und sie fragt mich: Kennst du das auch? Dass Gott dich grüßt, dich anruft? Er will dir durch einen Menschen, ein Ereignis, einen „Zufall" etwas sagen. Er plant etwas und fragt dich: Spielst du mit?
Ich sehe sie als schwangere Frau dargestellt, „Maria in der Hoffnung". Sie trägt den, der sie trägt, im Herzen. Was trage ich mit mir herum? Ich bin zwar ein Mann, aber ich gehe mit etwas „schwanger" und hoffe, dass es gut ausgeht. Sie lächelt mir zu: Lass dich tragen!
Ich sehe sie mit ihrem Kind Jesus. Ja, so menschlich nahe wollte Gott uns sein. Lass Jesus bei dir ankommen! Und bring du ihn heute zur Welt!, sagt sie mir. Bring Frieden in deine Umgebung.
Ich sehe sie mit dem toten Sohn auf dem Schoß, trauernd, fassungslos. Ihr Glaube wird hart geprüft. Sie versteht meine Fragen, meinen Schmerz. Bei ihr kann ich Sorgen und Scherben abgeben. Die Mutter tröstet mich: Schau auf Jesus! Bleib in seiner Liebe. Auf jeden Karfreitag folgt ein Ostern. Das Beste kommt noch.
Ich sehe sie dargestellt mit gefalteten Händen, zum Himmel schauend. Sie betet. Eine Einladung, still zu werden. Alles an ihr zieht nach oben. Die Kerzenmeere vor ihren Bildern brauchen keine Kommentare. Wer zu ihr kommt, bringt sein ganzes Leben mit.
Ich sehe sie mit einer Krone geschmückt. Gott macht Menschen nicht klein. „Er erhöht die Niedrigen." Was ist mit denen, die ihr Leben verpfuscht haben? Mit den Vielen, die misshandelt werden? Maria, die von Gott Gekrönte, ruft mir in Erinnerung: Jeder Mensch hat seine unverlierbare Würde. Lass dich nicht runterziehen! Und mach andere nicht runter!
Diese Frau gibt der blühenden Schöpfung Gottes ein Gesicht und eine Stimme: „Meine Seele preist die Größe des Herrn" (Lk 1, 46- 55) Sie bringt in meiner Seele Akkorde der Dankbarkeit zum Klingen und stiftet Beziehung zu dem, der die Liebe ist. Mit den Augen dieser Mutter sehe ich Christus anders. Menschlicher. Persönlicher. Vertrauter. Herzlicher.
Nicht nur im Marienmonat Mai.
Josef Treutlein, Wallfahrtsseelsorger am Käppele in Würzburg