Die fremde Stadt, die neue Wohngemeinschaft, die unvertraute Universität und viele noch unbekannte Menschen – Mitstreiter, die vielleicht zu Freunden werden; Professoren, deren Veranstaltungen ins neue Studienfach einführen.
Gerade in neuen und ungewohnten Situationen sind wir besonders sensibel für die Blicke der anderen. Während ich selbst noch mit viel Neuem beschäftigt bin, spüre ich die Blicke der anderen, - wie sie auf mich, auf mein Leben, auf meine Studienleistungen fallen. Da ist der freundliche Blick des Banknachbarn, für den auch noch alles ungewohnt ist. Da ist der wohlwollende Blick des Einheimischen, der mir den Weg erklärt. Da ist der musternde Blick des (potentiellen) Vermieters und dann in ein paar Wochen der prüfende Blick des Professors - sicher voller Wohlwollen, manchmal auch voller Anerkennung, aber möglicherweise auch manche Lücke aufdeckend. Was tue ich nicht alles, um all diesen Blicken zu gefallen und zu genügen? Wer wünscht sich nicht gut angesehen und anerkannt zu sein?
Inmitten dieses ganzen Geschehens fällt ein weiterer Blick auf mich – der Blick Gottes! Dabei geht es nicht um George Orwells großen Bruder, der von oben herab mit überwachungskameraartigem Blick alles unerbittlich aufzeichnet und gegen mich verwendet. Es geht um den Gott, der in Jesus Christus Gesicht gezeigt und mit eigenen Augen gesehen hat, dass das Leben nicht nur leicht ist. Dieser gute Gott wendet mir sein Angesicht freundlich zu und sieht mich an mit dem Blick der Barmherzigkeit. Dieser Blick ist voller Freude, wenn ich auf guten Wegen gehe und mein Leben in guten Bahnen verläuft. Dieser Blick ist voller Sorge, wenn ich auf Abwege gerate und nicht mehr weiter weiß. Dieser Blick ist voller Sehnsucht, wenn ich mich von ihm entferne und mich gegen ihn verschließe. Er verwirft und vernichtet nicht, sondern liebt, bewahrt und erhält mich.
Im Angesicht Gottes kann ich getrost Neues anfangen. Sein Blick begleitet und behütet mich. Wohl dem Menschen, der diesen freundlichen Blick über seinem Leben weiß. Wohl dem Menschen, der so hoch angesehen ist.
Matthäus Wassermann ist Hochschulpfarrer in der Evangelischen Studentengemeinde Würzburg.