Eines Morgens stand er vor der Tür und strahlte mich an. „Ich ziehe jetzt bei dir ein.“ Ganz selbstverständlich ging er an mir vorbei ins Haus. Ihm folgten Männer mit Kisten, er gab Anweisungen. Bücher dorthin, Bilder da. Und die Kaffeetasse gleich neben die Maschine. „Du hast doch Kaffee da?“, fragte er erwartungsfroh. „Ja klar!“, ich stopfte Kaffeepulver in das Sieb und hing es ein. Der Herr lehnte sich an den Küchenschrank und atmete den Duft von frisch gebrühtem Kaffee sichtlich zufrieden ein. Die Packer stellten die Bücher in die Regale und mir schien es so, als würden aus jedem Buch kleine Funken herausleuchten.
Ich danke Gott euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus, dass ihr durch ihn reich seid.
Mir war der LKW schon öfters aufgefallen. Es war immer das gleiche. Der Herr klingelte, marschierte in die Wohnung, dann trugen Männer einige Kisten hinein. Tage später leuchtete lebendige Wärme aus den Fenstern. Fürsorglich werden die Fragen des Lebens umhegt. Die großen Ganzen und die kleinen alltäglichen.
Mein Blick schweift über mein Bücherregal. Neben der Kleinen Raupe Nimmersatt und den Gedichten hat der Herr seine Kinderbücher eingereiht. „Alles da!“, höre ich seine Stimme. „Alle Worte, die du brauchst. Für dein ganzes Leben.“ Einst waren sie alle bei Gott. Und er brachte sie hinein in die Welt.
Ich nehme einige sorgsam zusammen gebundene Blätter in die Hand. Die umgeknickten Ecken tun mir weh. Manche Worte sind tränenverwaschen.
„Ich hole sie raus, wenn mir die Worte fehlen“, höre ich ihn. „Dir fehlen die Worte?“ Er zuckt mit den Schultern. „Passiert schon mal.“
Ich streiche die Ecken glatt und versenke mich in die Worte der Psalmen. Alles da. Worte für meine Fragen, meine Wut und für meine Dankbarkeit.
Neulich standen wir wieder mit einer Tasse Kaffee in der Küche. Er will ja immer dort sein, wo das Leben dampft, und auch mal was anbrennt.
„Ich habe alles verteilt.“ Vor mir tauchen die vielen Häuser auf, vor denen ich einst den Umzugswagen sah. „Das ist Absicht, oder?“ Er nickte. „So habt ihr alle was von mir. Und zusammen habt ihr alles. Ich verschwende mich. Ich bin da, wenn eine mit der fiesen Krankheit ringt. Ich sitze mit am Küchentisch, wenn das Brot für die Woche sorgfältig eingeteilt wird. Ich halte den Streit zwischen zwei Menschen aus, wenn sie sich scharfe Worte an den Kopf werfen. Und ich halte die Hände der Verliebten, die sich tief in die Augen schauen und Treue versprechen.“
Ich sehe die vielen Menschen in den Orten. Manche fordern mich heraus. Ich tu mir schwer, mich in sie hinein zu denken. Ihr Schicksal ist so fremd. Auch da hat der Herr seine Kisten hingebracht. Auch da ist er eingezogen. Und nur zusammen haben wir alles. Gnade und Anmut und seine liebende Fürsorge.
Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen.
Pfarrer Sebastian Wolfrum, Christuskirche Veitshöchheim