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Kreuzigungsgruppe am Kreuzberg in der Rhön
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„Menschlichkeit“

Es war vor Weihnachten mitten in Köln...

Es war vor Weihnachten mitten in Köln. Menschenmassen zwängten sich durch die Straßen. Regelmäßig wurde ich von links und rechts angerempelt. Eines Blickes wurde ich kaum gewürdigt. Die Menschen konzentrierten sich auf die Auslagen in den Schaufenstern oder auf´s Handy oder auf die nächste Lücke im Gedränge. Ich hatte das Gefühl, die Leute um mich herum sind auf der Flucht vor den anderen oder auf der Jagd nach dem besten Schnäppchen. So kam ich zur Domplatte. An einer Seite des Domplatzes gab es Kontrastprogramm: junge Menschen saßen sich auf Decken paarweise gegenüber. Transparente waren aufgestellt. Auf ihnen stand in großen Lettern die Frage: „Wo ist die Menschlichkeit geblieben?“

Junge Aktivisten luden vorbeikommende Passanten ein, die Menschlichkeit zu suchen. Einige Leute blieben neugierig stehen, Andere schüttelten den Kopf. Ein paar Duzten ließen sich auf das Experiment ein: wildfremden Menschen drei Minuten lang still in die Augen schauen.

Nicht Alle hielten dieses Experiment durch. Manche standen nach wenigen Sekunden wieder auf, Einige brachen nach einer Minute ab, Andere fingen an zu lachen, Einige suchten mit ihren Augen Ausflüchte. Ein paar Wenige aber kamen mit ihrem Gegenüber auf eine „Wellenlänge“. Auf ihren Gesichtern war ein Schmunzeln und in ihren Augen ein Leuchten zu erkennen. Von denen hatte ich den Eindruck: die haben ein bisschen von dem gefunden, was die jungen Aktivisten zu suchen aufgetragen hatten: „Menschlichkeit im Nächsten“.

Kein materieller Gegenstand, kein teures Handy, kein großes Auto, sondern nur das echte und ungeschminkte „Ansehen einer Person“ kann uns ein Gespür für Menschlichkeit, für Nähe und Zuneigung vermitteln.

Dass Menschen sich friedlich und wohlwollend in die Augen blicken, scheint jedoch zur Mangelware zu werden. Die politischen Umwälzungen in den USA und in Europa, die nicht enden wollenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Nahen Osten, die Millionen Menschen auf der Flucht, die Diskussionen um Willkommen und Unerwünscht, die Angst vor dem Terror, aber auch die Streitigkeiten in Beziehungen und Familien stellen mir die Frage: „Wo ist unsere Menschlichkeit geblieben?“

Vor vier Wochen haben wir Weihnachten gefeiert. Da haben wir gehört von einem Gott, der selbst Mensch wurde und der mit den Menschen auf Augenhöhe gegangen ist, weil er sie liebt. Können wir diese Botschaft so einfach mit Christbaum und Geschenkpapier entsorgen?

Ich will mir vorstellen wie es wäre, wenn im neuen Jahr das Projekt von Köln Schule machen würde, wenn Menschen bewusster ihre Nächsten in den Blick nehmen, wenn Menschen nicht über den Anderen hinweg sehen, sondern ein Auge auf einander haben. Ich will mir vorstellen, wie es wäre, wenn die Christen den Mut hätte, ihre Mitmenschen und die Welt mit den Augen Jesu sehen. Vielleicht würde sich das Bild in unseren Städten verändern? Vielleicht würde dem ein oder anderen Passanten ein Schmunzeln ins Gesicht oder ein Leuchten in die Augen kommen? Vielleicht wären dann die Straßen Wege und Plätze unserer Städte wieder echte Orte der Begegnung? Und vielleicht würde dann sogar etwas von dem spürbar, was Christen Nächstenliebe nennen? 

Domvikar Stefan Michelberger

Regens im Priesterseminar Würzburg