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Wort zum Wochenende

Himmel, Hölle und ein Lächeln am Nebeneingang

Diese Gottesmutter schaut nicht ernst und leer in die Ferne so Pfr. Dr. Tobias Graßmann

Über Pfingsten war ich mit meiner Familie im Frankreichurlaub. Wir hatten uns eine kleine Ferienwohnung in Amiens gemietet. Schon vom Eingang dieser Wohnung aus konnte man die Kathedrale Notre Dame von Amiens sehen. Ein riesiger gotischer Kirchenbau wie aus dem Bilderbuch!

Wenn man vor dem Hauptportal der Kathedrale steht, dann sieht man ein gewaltiges Weltgerichtspanorama. Christus als Weltenrichter thront in der Mitte, während unter ihm Engel die Seelen der Menschen abwiegen. Über ihm zieht Gott-Vater zwei Schwerter aus seinem Mund: Alle weltliche und religiöse Macht läuft hier zusammen. Zur Rechten Christi ziehen die Erlösten in den Himmel ein. Zu seiner Linken sperrt ein Höllenmonster den Rachen auf, um die Verdammten zu verschlingen. Rundherum blicken unzählige Engel, Märtyrer, Apostel und Propheten als wachsame Beobachter vom Jenseits herüber.

Du Sterblicher! Wie steht es mit deinem Glauben, deinen guten Werken? Man kann sich vorstellen, wie diese in Stein gemeißelte Ermahnung auf die Menschen des Mittelalters gewirkt hat. Will man sich dem wirklich aussetzen? Gibt es nicht einen anderen, freundlicheren Weg zu Gott?

Ja. Zum Glück gibt es in Amiens einen Umweg! Einmal um die Ecke gebogen, dann führt der Südeingang der Kathedrale durch ein kleineres Nebenportal. Und dort, auf der Säule zwischen den beiden Türen, steht die vierge dorée. Die „goldene Madonna“ aus dem 13. Jahrhundert ist eines der schönsten gotischen Marienbilder. Von anderen Mariendarstellungen ihrer Zeit unterscheidet sie sich durch die bewegte Körperhaltung und vor allem ihren Gesichtsausdruck. Diese Gottesmutter schaut nicht ernst und leer in die Ferne, sondern blickt ihr Kind mit einem selig-verschmitzten Lächeln an. Anders als beim Hauptportal wird einem hier gleich warm ums Herz.

Martin Luther und die Reformatoren haben dafür gekämpft, dem göttlichen Weltgericht seinen Schrecken zu nehmen. Christus war für sie nicht der drohende Richter, sondern Offenbarung der Gnade Gottes. Maria wurde damit als Fürsprecherin, als Umweg zu Gott verzichtbar und rückte schnell aus dem Zentrum der evangelischen Frömmigkeit. Dass die Habsburgerkaiser sie zur Symbolfigur ihres katholischen Herrschaftsanspruchs machten, hat sie den Evangelischen zusätzlich verleidet.

Bei der „goldenen Jungfrau“ ist von all dem noch nichts zu merken. Ihre mittelalterliche Bildsprache hat eine ökumenisch verbindende Botschaft: Mit ihrem Blick lenkt sie unseren Blick hin zum Christuskind, das uns wie ihr zur Freude werden soll. Ich kann einen Besuch bei ihr in Amiens nur empfehlen!

Pfarrer Dr. Tobias Graßmann, evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Würzburg/Heuchelhof (Gethsemanekirche)