Herzlich gegrüßt
Ich schreibe gerne Ansichtskarten. An meine Lieben zu Hause, Familie, Freunde, Kollegen. Dann, wenn ich in Urlaub oder an einem ganz besonderen Ort bin. Und wie freue ich mich, wenn ich meinen Briefkasten öffne, dort nicht nur Werbung und Rechnungen vorfinde, sondern von einer persönlichen Karte begrüßt werde. Im Zeitalter der digitalen Post wird die Ansichtskarte manchmal durch ein Selfie ersetzt, das mit herzlichen Grüßen in meiner Mailbox landet. Wenn ich eine Grußkarte erhalte, drückt dies aus: Der hat an mich gedacht, dem bin ich wichtig, der mag mich. Damit fasst der Adressat in Worte, dass ich einen Platz in seinem Leben habe.
In meiner Kindheit beobachtete ich aufmerksam den regen Briefverkehr zwischen meiner Großmutter und meiner Wiener Tante. Diese begann jedes Schreiben mit dem Satz: „Grüßend möchte ich Euch mitteilen...“. Vor der Neuigkeit kam der Gruß. Überhaupt habe ich von meinem Eltern gelernt, dass ich als Jüngere die Älteren zuerst grüße. Höflichkeitsfloskeln, die in der heutigen Zeit verschütt gegangen sind? Schade auch, dass das herzliche „Grüß Gott“ und frische „Guten Tag“ zu einem saloppen „Hallo“ verkommen ist.
Morgen feiert die katholische Kirche das Fest „Verkündigung des Herrn“. Sie ruft damit die Änkündigung der Geburt Jesu an Maria in Erinnerung. Ich gebe zu, „Verkündigung des Herrn“ klingt im 21. Jahrhundert etwas befremdlich, retro, und dann noch ein Fest? Wo wir uns doch auch in Würzburg zu Flashmobs, Anime- und Manga-Conventions treffen. Wenn Sie aber in Museen oder Kirchen gehen, werden Sie auf dieses Geschehen immer wieder stoßen. In unzähligen Kunstwerken wurde die Szene ausgemalt und über die Jahrhunderte tradiert: „Gegrüßet seist Du, Maria“, so der Engel Gabriel, der ganz unerwartet in das Leben dieses Mädchens aus Nazareth tritt. Die Dynamik dieses Begrüßungsaktes drückt auch das Gebet des „Ave Maria“ aus. Wir beten es in persönlichen Anliegen oder beim gemeinsamen Rosenkranz: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir“. Dieser Gruß und diese Zusage sind Ausdruck der Liebe Gottes, die Mut machen. Maria lässt sich mit Haut und Haaren darauf ein. Welch' Wagnis, aber auch welcher Vertrauensvorschuss.
Bevor wir Menschen nur darüber nachdenken, sind wir von Gott herzlich angesprochen. Jeder Gruß, sei er von Mund zu Mund, von Karte zu Karte, von Herz zu Herz, hat den Klang dieser göttlichen Verkündigung. Denn Engel in Menschengestalt begegnen uns immer dort, wo wir uns mit liebender Achtsamkeit begegnen. So dürfen wir uns freuen über die „herzlichen Grüße“, die das Jahr über in unserem Briefkasten landen, und über das frohe „Grüß Gott“ oder das legere „Hallo“ am Straßenrand.
Margit Rotter
Geschäftsführerin des Diözesanbüros Würzburg