Gottes Liebesgeschichte
Wir stehen mitten im Advent. Am Sonntag brennen wir die zweite Kerze am Adventskranz an und die Kinder freuen sich auf den Besuch des Heiligen Nikolaus.
Auch in unserer Stadt sind die Vorbereitungen auf Weihnachten unübersehbar. Auf dem Domvorplatz und am Unteren Markt stehen große Christbäume, die Schaufenster sind weihnachtlich dekoriert und bereits seit September liegen Lebkuchen und Spekulatius in den Regalen der Supermärkte. Der Advent findet im Bewusstsein vieler nicht nur vier Wochen statt, sondern wird auf den ganzen Herbst ausgeweitet. Ja, die Zeit läuft, da kann man nicht früh genug anfangen...
Ich muss gestehen, auch ich habe noch nicht alle Weihnachtsgeschenke für meine Lieben beisammen, der Christbaum ist lange noch nicht gekauft und auch über das, was ich an Heilig Abend koche, habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Es gibt viel zu tun, in diesen Wochen vor dem großen Fest. Und trotzdem kommt Jahr für Jahr im Advent eine große Vorfreude und heimliche Stille in mir auf. Da bin ich wieder das kleine Mädchen, das mit der Mutter und der Schwester all abendlich am Adventskranz singt und betet und dem die Großmutter Gedichte und Lieder lernt. Das Kind, das die Nase an's Fenster drückt, sehnsuchtsvoll auf den nahen Kirchturm schaut und auf das Christkind wartet, das doch aus der Wolke auf die Erde kommen wird.
Sind das nur sentimentale Gefühle, die Sehnsucht nach der verlorenen Kindheit oder steckt da doch mehr dahinter? Wie kann ich mich heute, als eine im Leben stehende Frau, auf Weihnachten vorbereiten? Wie soll ich, wenn Christstollen und Zimtsterne zur Alltagsware werden und der Klangteppich von „O, du fröhliche“ und „Stille Nacht“ unsere Fußgängerzonen einhüllt, richtig Advent halten? Wie soll man, wenn doch alles schon da ist, diese Zeit als Vorbereitung begreifen? Wie können wir dem Kommenden den Weg bereiten, wenn der Blick auf ihn durch blinkende Weihnachtsmänner verstellt ist?
Für mich ist Weihnachten das herzlichste Fest, das uns Gott mit der Geburt seines Sohnes geschenkt hat. Gott kommt uns in einem kleinen Kind ganz nahe. Was das bedeutet, können wir vielleicht erahnen, wenn wir uns auf die Geburt eines Kindes in der Familie oder im Freundeskreis freuen. Wie viele Vorbereitungen werden da unternommen, wie viel Sehnsucht verbreitet, bis der kleine Erdenbürger endlich in den Armen seiner Mutter liegt? Gott schenkt uns seinen Sohn, weil Gott an uns Menschen glaubt; auch daran, dass wir lieben können. Dürfen wir dies heuer nicht ganz besonders unter Beweis stellen, wo die Heimatlosen bis an unsere Haustüre kommen? Der Stall von Bethlehem steht in diesen Tagen nicht im fernen Palästina, sondern im Intercity aus Wien, in dem ich vor ein paar Wochen gesessen bin und mit mir eine vielköpfige Flüchtlingsfamilie. Können wir im Advent 2015 nicht etwas abgeben aus unseren übervollen Einkaufstüten? Öffnen wir nicht nur täglich die Tür des Adventskalenders, sondern auch unsere Herzen und Tore für die, die Barmherzigkeit suchen. Weihnachten ist der Anfang. Die Liebesgeschichte, die an Weihnachten beginnt, geht weiter. Gott wurde Mensch, um uns durch seine Auferstehung an Ostern zu erlösen. Darüber dürfen wir uns freuen in diesen Tagen des Advents - auch zwischen Glühweinbuden, wo „süßer die Glocken nie klingen“.
Margit Rotter
Geschäftsführerin des Diözesanbüros Würzburg