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Kreuzigungsgruppe am Kreuzberg in der Rhön
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Gott bleibt

Wenn ich an die existentiellen Stunden meines Lebens stoße, darf ich einsam sein, doch Gott bleibt, so Margit Rotter.

Gott bleibt

 

Mit dem Palmsonntag treten wir in die Heilige Woche, die Woche vom Leiden und Sterben Jesu, ein. Wie in einem Brennglas kann man in dieser Woche das ganze Leben Jesu in seinen Höhen und Tiefen wiederfinden. Es ist die Feier des letzten Abendmahles am Gründonnerstag, die mich Jahr für Jahr am meisten berührt. Jesus trifft sich ein letztes Mal mit seinen Jüngern, er bricht ihnen das Brot und er ver­bringt wachend und betend die Nacht vor seinem Leiden.

 

Das beeindruckendste Erlebnis meiner ersten Reise ins Heilige Land im Januar 1986 war der Gang über den Ölberg in Jerusalem. Ganz früh am Morgen feierten wir Gottesdienst in der kleinen Kirche Dominus flevit und durften dann in aller Stille an den Olivenbäumen verweilen. Der Gedanke, dass hier Jesus gefangen genommen wurde und betend die Nacht vor seiner Kreuzigung verbrachte, hat mich in diesen frühen Morgenstunden tief ergriffen. Die Ölbäume im Garten Gethsemani waren stumme Zeugen dieser Nacht voller Verzweiflung, auch nach fast 2000 Jahren. Was mag Jesus ge­betet haben? Hat er Gott angefleht? Hat er seien Verzweiflung her­ausgeschrien: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42).

 

Wer kennt sie nicht, diese durchwachten Stunden? Mir kommen die Nächte am Bett meines sterben­den Vaters in den Sinn. Ohnmächtig angesichts des nahen Todes, ergriffen von den letzten Momen­ten des Beieinanderseins. Wie froh war ich um jedes auswendig gelernte Gebet, auf das ich zugrei­fen konnte. Es gibt sie in jedem Leben, diese „Ölbergstun­den“, Stunden der Angst und Ausweg­losigkeit, Stunden, die jeder allein durchlei­den muss. Die grenzenlose Leere, wenn alles um mich herum schläfrig und ab­gewandt ist. Diese kleinen Tode des Alltags, das Loslassen müssen und das Verlassen wer­den.

 

Das Lukasevangelium berichtet uns, dass ein Engel vom Himmel erschien und Jesus stärkte (Lk 22,43). In den Stunden der Ohnmacht brauche auch ich einen Engel. Ich brauche einen Engel, der mir die Augen öffnet, wenn ich müde und schläfrig werde. Ich brauche einen Engel, der mir Kraft gibt, wenn meine eigene Kraft versagt. Ich brauche einen Engel, der mich stützt, wenn ich es alleine nicht schaffe. Ich brauche jemanden, der mir beim Beten hilft, weil ich es nicht kann. Ich brauche einen Engel, der mir die Augen öffnet für die Not des anderen. Dieser Engel sagt mir, dass Gott treu bleibt. Denn Gott bleibt auch in meiner größten Not, in meinen tiefsten Abgrün­den an meiner Seite. Wenn ich an die existentiellen Stunden meines Lebens stoße, darf ich einsam sein, doch Gott bleibt.

 

 

Margit Rotter, Leiterin des Diözesanbüros Würzburg