Der Herbst – eine Einladung zum Loslassen
Was kommt Ihnen bei dem Wort „November“ spontan in den Sinn? Der Feiertag Allerheiligen? Der Gang auf den Friedhof? Gar die Gedenkstunde am Kriegerdenkmal? Sind Sie ein Mensch, der vielleicht an Nebel, nasskaltes Wetter denkt, oder an rutschiges Laub, dem man mit dem Laubsauger zu Leibe rücken muss? Oder freuen Sie sich an den bunten Blättern im Herbst und haben Spaß daran, durch das raschelnde Laub zu gehen? Ich genieße es in den herbstlichen Tagen für meinen Heimweg nach Aschaffenburg auf der Bundesstraße und nicht auf der Autobahn unterwegs zu sein. Klar, ich brauche mehr Zeit, doch die Vielfalt des bunten Laubs, das sich permanent ändernde Farbenspiel in der Natur, ist einfach wunderschön und staunenswert. In wenigen Tagen wird diese Pracht natürlich vorbei sein, die Blätter fallen ab und zurück bleiben kahle Bäume. Was ist daran dann noch schön? Die Bäume sehen wie tot aus, doch wir wissen, dass sie im Frühjahr wieder ausschlagen werden, vielleicht prächtiger als im Jahr davor. Neues wird sein, anders wird es sein – ganz selbstverständlich für uns, denn so sind doch die Jahreszeiten.
Führt uns aber nicht damit die Natur vor Augen, dass ein bestimmter Rhythmus wichtig ist? Dass dieses Loslassen, Abgeben, sich Zurückziehen, Ruhen … notwendig ist, um später wieder neu aufzuleben?
Die Natur gibt uns ein Beispiel. Wir könnten es auch als Einladung an uns verstehen, in Ruhe einmal unseren Alltag zu betrachten. Womit ist er angefüllt, manchmal übervoll? Brauche ich das alles für mein Leben, um zufrieden und glücklich zu sein? Woran halte ich fest, weil es meiner Meinung nach unentbehrlich ist, unbedingt sein muss? Brauche ich das wirklich alles?
Loslassen, etwas abgeben birgt die Chance in sich, unbelasteter und freier zu werden. Es entsteht ein Raum, in dem sich etwas Neues, etwas Anderes für mein Leben entwickeln kann. Es liegt an jedem einzelnen, wie er/sie den neu gewonnenen Freiraum gestaltet und wozu er/sie ihn nutzt. Beginne ich eilig mit etwas Neuem oder lasse ich mir Zeit, Zeit zum Nachspüren und ruhigen Wahrnehmen, wie es mir mit dem „Weniger“ jetzt geht? Dieses „Weniger“ kann ein „Mehr“ an Leben bringen.
Ich werde mir ein schönes buntes Herbstblatt an einen gut sichtbaren Ort zu Hause legen, damit es mich immer wieder an das „Mehr“ im Leben durch Loslassen erinnert.
PastRef Eva Bracharz-Streib