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Kreuzigungsgruppe am Kreuzberg in der Rhön
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"Die Seele geht zu Fuß"

Es ist wieder soweit: An diesem Wochenende machen sich um die 600 Pilger auf den Weg zum „Heiligen Berg der Franken", zum Kreuzberg in der Rhön. 5 Tage lang nehmen sie die Strapazen des Weges auf sich und legen rund 170 km gemeinsam zu Fuß zurück. Wallfahrten sind „in" und erfreuen sich in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit.

Spätestens seit Hape Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg" ist auch die Idee der Wallfahrt nach Santiago de Compostella zu einer Sehnsucht geworden, der nicht wenige Menschen unserer Tage folgen.
Doch was ist es, das so viele auf den Weg zieht?
Warum finden gerade Menschen, die sonst mit der Kirche nicht so viel am Hut haben, einen besonderen Anreiz darin, sich auf eine Wallfahrt zu begeben?

Ich denke, es gibt verschiedenste Beweggründe, die heutige Pilger in Bewegung bringen:
So manche sehnen sich einfach nach einer Auszeit, nach einem Aussteigen aus dem ganz normalen Wahnsinn des Alltags, nach einem einfachen, naturnahen Lebensstil, nach einem Unterwegssein mit sich selbst und anderen.
Viele suchen wieder tieferen Kontakt zu ihrem eigenen Inneren, wollen der eigenen Sehnsucht Raum geben und mehr zu sich selber und zum Grunde ihres Daseins finden.
Sicher sind es nicht wenige, die als Wallfahrer ein ganz konkretes Anliegen mit sich tragen, weil sie für jemanden in Krankheit und Not Hilfe erbitten oder weil sie nach einer erfahrenen Hilfe einen Weg voller Dankbarkeit gehen wollen.

Es ist ja auch ein echtes Erlebnis, wieder einmal Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, Sonne und Regen auf der Haut zu spüren, mit einem bescheidenen Marschgepäck auszukommen, bis an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu gehen, in einer Gemeinschaft unterwegs zu sein, die einen trägt und begleitet, einen Rhythmus im Gehen zu finden, der hilft, die Schwierigkeiten des Weges zu meistern.
Im gemeinsamen Beten und Singen getragen zu sein, unterwegs ein Wort, einen Satz, einen Gedanken einsickern zu lassen, der sich im Innern ausbreitet und zum Halt und Trost wird...

Vielleicht sind Wallfahrten auch deshalb so „in", weil sie gewissermaßen wie eine kleine Lebensschule sind und weil wir dabei so viel lernen können für unseren Lebensweg als Ganzen:

Jede Wallfahrt lehrt, wie wichtig es ist, auch im Leben auf unnötigen Ballast zu verzichten und immer neu das „hinter sich Lassen", das Loslassen und das Aufbrechen zu üben.
Jede Wallfahrt zeigt auch, wie wichtig der richtige Rhythmus von Anstrengung und Entspannung, von sich Fordern lassen und sich Rast und Ruhe Gönnen ist.
Auf jeder Wallfahrt wird uns bewusst, dass wir den Weg mit allen Schwierigkeiten selber meistern und die eigenen Kräfte einteilen müssen. Wir erfahren zugleich, wie wichtig die Wegbegleiter sind, die uns mittragen und ermutigen, unterwegs nicht aufzugeben...
Wie etwa ein Engel (also ein von Gott nicht zufällig Geschickter) im Buch der Könige dem resignierten und lebensmüden Propheten Elija unter dem Ginsterstrauch sagt: „Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich!" (1 Kön 19,7)
Jede Wallfahrt bringt dem Pilger auch ins Bewusstsein, dass sein Unterwegssein ein Ziel hat.
So öffnet das Pilgern der Ursehnsucht unseres Lebens neuen Raum.
Wer jemals das beglückende Gefühl gespürt hat, mit schweißtriefendem Hemd und schweren Füßen durch die Pforte der Wallfahrtskirche unter Glockengeläut und erhebenden Gesängen einzuziehen, der hat vielleicht eine Ahnung bekommen, was die Bibel meint, wenn sie die Endzeit mit einer Wallfahrt vergelicht, bei der die Völker auf dem heiligen Berg Zion für immer bei Gott ankommen. (vgl. Jes 3,2ff)
Und wer dann erschöpft und zugleich beglückt und geborgen in seiner Bank saß, der hat vielleicht auch verstanden, welch wunderbare endzeitliche Verheißung den Himmel mit einer Stadt vergleicht, in der es „keinen Tod, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal" (Offb 21,4) mehr gibt, weil alles hinter uns liegt, was uns auf dem Weg zu schaffen gemacht hat.
So gesehen erinnert uns jede Wallfahrt daran, dass unser Leben nicht im Nirwana endet, sondern ein großes Ziel hat, für das sich das Unterwegssein mit allen Freuden und Leiden lohnt:
Das Ankommen in der endgültigen Geborgenheit bei Gott.

Es muss ja nicht die ganz große Tour nach Santiago oder zum Kreuzberg sein.
Viele unserer fränkischen Dörfer pilgern seit Jahrhunderten an Gnadenorte wie Dettelbach, Retzbach, Fährbrück und es gibt zahlreiche Jakobuswege im deutschsprachigen Raum. Auch der fränkische Marienweg, der Franziskusweg, der Augustinusweg sind ausgewiesene Möglichkeiten für kleine Pilgerstrecken. Vielleicht ist es auch für Sie einmal in diesem Sommer einen Versuch wert, sich auf eine Wallfahrt zu begeben.
Auf jeden Fall tut es uns Menschen des 21. Jahrhunderts ganzheitlich gut, den Stress, das Eingespanntsein, die Schnelllebigkeit einmal hinter uns zu lassen und uns auf einer Wallfahrt zu entschleunigen.
Dadurch werden wir wieder achtsamer für unser Leben und unser eigenes Inneres, denn:
„Die Seele geht zu Fuß!" (Arabisches Sprichwort)