Das Herz pumpt mit voller Kraft, die Muskeln arbeiten am Anschlag und die Augen fixieren die Ziellinie. Mit letzter Kraft sprinte ich durch die Lichtschranke. Aber alle Anstrengung hat nicht gereicht. Ich bin Letzter geworden. Der Sieger lässt sich laut jubelnd vom Trainer feiern. Ich kann mich noch gut an dieses Gefühl aus Jugendtagen erinnern, erschöpft und frustriert bin ich von der Bahn getrottet. Ich habe gelernt, dass im Wettkampf nur einer gewinnt und oft viele verlieren. Beim Leistungssport sind das die Regeln, das wissen nicht nur die Würzburger Kickers. Und trotzdem richten sich viele nicht nur im Sport, sondern im ganzen Leben darauf aus, zu den Besten zu gehören.
Das war schon unter den Jüngern Jesu so. Petrus und die anderen wollten gerne ganz vorne in der Nachfolge dabei sein. Im himmlischen Reich erhofften sie sich dafür eine ewige Belohnung. Doch Jesu Antwort ist ernüchternd: „Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten werden die Ersten sein.“ (Matthäus 19,30) Ist also alle Mühe umsonst?
Jesus bringt seine Haltung auf den Punkt: Die Spielregeln, die einen auf Kosten vieler Gewinnen lassen, haben keinen Bestand. Für ihn sind auch die wichtig, die sonst nur hinterherrennen. Letztendlich geht es Jesus um den Wert eines jeden Menschen. Und der ist nicht bei manchen größer, weil sie zu den Gewinnern zählen oder zu einer bestimmten Gruppe gehören.
Diese Botschaft ist aktueller denn je. In Frankreich kämpft dieser Tage Marine Le Pen um die Präsidentschaft mit den Worten: Frankreich zuerst. Donald Trump versucht seine Politik der Maxime „America first“ unterzuordnen. Und auch in Deutschland werden die Töne laut, die eigene Nation oder Religion für wichtiger und wertvoller zu halten als andere. Jesus macht klar, dass der Erste nur auf Kosten anderer gewinnen kann. Es ist grundverkehrt, sein privates Leben und die Politik an so einem „zuerst“ auszurichten.
EKD-Ratsvorsitzender Heinrich Bedford-Strohm sagt es so: „Hass, Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus sind unvereinbar mit dem christlichen Glauben.“
Es geht auch anders. Am Sonntag werden in Würzburg wieder Tausende um die Residenz laufen. Die Freude an der gemeinsamen Bewegung steckt eben an. Auch ich bin dabei und werde alles geben, um so schnell wie möglich die Runden zu drehen. Sicher werden viele an mir vorbeiziehen. Doch inmitten der bunten schwitzenden Läuferschar kann ich hoffentlich genauso stolz sein und voller Dankbarkeit im Ziel schnaufen: Dabeisein ist alles.
Max von Egidy ist Pfarrer in den Evangelischen Gemeinden Würzburg Heuchelhof und Rottenbauer.