Würzburg (POW) Der Dialogprozess im Bistum Würzburg gewinnt an Fahrt. Nachdem sich der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Würzburg bei seiner Herbstvollversammlung für einen Dialog auf Augenhöhe ausgesprochen hatte, bringt das Stadtdekanat Würzburg bereits eine Reihe von aktuellen Themen zur Sprache: Hören auf Gottes Botschaft im Heute, Zugehen auf Fernstehende, Option für die Familie, verständliche Sprache in der Liturgie, Offenheit für Ökumene sowie Dialog zu konkreten Fragen wie Diakonat der Frau und des Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen. Bei einem gemeinsamen Tag des Dekanats am 22. Oktober in Würzburg-Heiligkreuz wünschten sich 112 Vertreter der Würzburger Pfarreien einen echten, aufrichtigen Dialog. Die Kirche müsse dort sein, wo die Menschen sind. „Wir wollen dem Bischof die Angst nehmen, dass wir eine völlig andere Kirche wollen. Es geht uns vielmehr um konkrete Schritte, näher bei den Menschen zu sein“, klang es aus dem Plenum.
Stadtdekan Domkapitular Dr. Jürgen Vorndran und Dekanatsratsvorsitzender Dietrich Preiser sehen Kirche in der Spannung zwischen dem Verlust vertrauter Gewohnheiten und dem Aufbruch von Neuem. „Da stehen wir. Wir müssen die Verluste verdaubar machen und Neues wachsen lassen. Wir müssen etwas verändern, wenn sich die Situation der Kirche verändert“, sind beide überzeugt. Doch dieser Prozess müsse zunächst biblisch beginnen. Die Gemeinden müssten sich der geistlichen Dimension ihres Weges bewusst werden.
Hilfen holt sich das Stadtdekanat beim Hildesheimer Regens Dr. Christian Hennecke. Der Autor des Buches „Kirche, die über den Jordan geht“ zeigt beim gemeinsamen Tag des Dekanats Perspektiven auf: „Gott geht mit uns im Umbruch.“ Hennecke spricht die Trauer über den Verlust vieler liebgewonnener Gewohnheiten in der Kirche an, bezeichnet diese mit Blick auf die alttestamentliche Erzählung vom Exodus als „die Fleischtöpfe Ägyptens“ und stellt die Frage: „Weisen wir in der Kirche auf die Mitte, auf Jesus Christus, hin oder sind wir in Versuchung, uns selbst in die Mitte zu stellen?“ Für Hennecke ist der Gläubige der Zukunft ein Pilger beziehungsweise jemand, der Jesus erst neu entdeckt und sich dann mit Entschiedenheit auf den Weg macht.
Beispiele für Menschen, die neue Erfahrungen mit Kirche machen, gibt es bei dem Dekanatstreffen: Eine Frau, die mitten im Leben steht, erzählt, dass sie in der eigenen kleinen Pfarrgemeinde keinen Ansprechpartner in ihrem Alter fand, aber in der größeren Pfarreiengemeinschaft viele kennengelernt habe. Eine andere Frau spricht von ihrer bewussten Entscheidung für die Kirche und dem daraus folgenden Engagement. Ein junger Mann erzählt, dass es unter jungen Christen eine große Sehnsucht nach Klarheit im Glauben gebe. Insgesamt stellen die Haupt- und Ehrenamtlichen beim Blick auf ihre Bilder von Kirche fest, dass diese mit Nähe und mit Heimat zu tun haben. Kirche muss auch im Umbruch nahe bei den Menschen sein und Heimat bieten, lautet die Konsequenz hieraus.
Für Stadtdekan Vorndran steht fest, dass Kirche nur dann nahe bei den Menschen sein kann, wenn sie die religiösen Prägungen ihrer Gläubigen ernst nimmt. In einer Zeit wie heute und in einer Stadt wie Würzburg verweise das auf ein ganz breites Spektrum von jung bis alt, von progressiv bis konservativ, von Kontemplation bis zu Tatendrang. „Hier müssen wir differenzieren, ohne zu polarisieren, damit keiner ausgeschlossen wird. Mehr als bisher müssen wir die katholische Vielfalt mit echter Liebe in den Blick nehmen und eine katholische Weite finden, von der wir derzeit noch weit entfernt sind“, sagt Vorndran. „Neue Visionen haben und die Perspektive wechseln“, das sind die entscheidenden Punkte für Preiser in einer Zeit des Wandels.
Für das Stadtdekanat begann der Aufbruch bereits am Ende des Krisenjahrs 2010. „Wie können wir neues Vertrauen in die Kirche gewinnen?“, fragten sich damals Priester, Diakone und pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dekanats bei einem Studientag. Sie waren sich einig: Kirche brauche eine neue Sprache, um die Menschen wirklich anzusprechen. Auch muss das karitative Engagement der Kirche vor Ort spürbarer sein. Auch der Dekanatsrat diskutierte die Frage, wie Kirche konkret in Würzburg gestaltet werden könne, um eine missionarische Kirche zu sein. Heute sind die Verantwortlichen des Dekanats überzeugt: „Jetzt sind wir auf dem Weg!“ An der Vision einer „Kirche für die Menschen“ werde man arbeiten, damit sie zu pastoralen Schwerpunkten führe. Die Kirche in der Stadt Würzburg wird dabei weiter die Frage beschäftigen: „Wo entdecke ich, wie Gott sein Volk erneuert?“ Ein konkretes Arbeitsfeld hat der gemeinsame Tag schon formuliert und terminiert: In den Tagen um Pfingsten 2013 soll der Glaube in der ganzen Stadt Würzburg auf breiter Basis zum Thema gemacht werden.
Die Ergebnisse des gemeinsamen Tages werden in den verschiedenen Gremien des Stadtdekanats weiter beraten und an die Verantwortlichen des Dialogprozesses im Bistum weitergegeben. Auch interessierten Dekanaten bieten die Würzburger an, über ihre bisherigen guten Erfahrungen mit dem Dialog und über ihre Visionen von Kirche zu berichten.
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