Der Kaffee zum Geschichtenerzählen
Von Erzpriester Martinos Petzolt
„Das klare kalte Wasser erfrischt und stillt den Durst. Der Tresterbrand soll den Schweiß stoppen. Die Süßigkeit schenkt dem Körper Energie und schließlich ist der Kaffee zum Geschichtenerzählen.“ So erklärt der Mönch Philemon im Athoskloster des Propheten Elias die vier Erfrischungen, die er vor die durchgeschwitzten Gäste stellt: Blechbecher mit frisch gezogenem Brunnenwasser; ein wenig Tsipouro, das ist ein makedonischer Traubentrester, in kleinen Gläschen; Tellerchen mit in Sirup eingelegten Früchten und dazu griechischen süßen Mokka. So ist es auch zu sehen im neuen Kinofilm über den Heiligen Berg, den ersten überhaupt: „Athos - Im Jenseits dieser Welt“, der gerade in den deutschen Kinos anläuft. Der betende Mönch Philemon ziert sogar das Kinoplakat.
Aber man muss nicht auf den Athos reisen, um klösterliche Gastfreundschaft und gute Gespräche zu erleben. Ganz Griechenland ist übersät mit Klösterchen. Manchmal wohnen nur zwei oder drei Nonnen oder Mönche bei einer uralter Kirche, ausgeschmückt mit historischen Fresken und bedeutenden Ikonen und Schätzen. Auf jeder griechischen Insel und nahe bei jeder griechischen Ortschaft befinden sich größere oder kleinere Klöster, besiedelt und lebendig. Zu jedem Heimaturlaub der Griechen gehört dazu, solche Klöster zu besuchen und nachher davon zu berichten. Denn nicht nur der Körper soll sich im Urlaub erholen, auch das Herz will auftanken, die Seele sucht geistliche Nahrung. In Griechenland ist es sehr einfach, eins der unzähligen Klöster zu betreten. Man geht im Marienmonat August zu einem abendlichen Fürbittgottesdienst oder klingelt, wenn das Tor verschlossen ist, und bittet darum, die Kirche sehen zu dürfen. Dort gibt es vieles zu bestaunen, man kann die alten oder neuen Bilder auf sich wirken lassen, für sich beten, Kerzen anzünden, Ikonen und Heiligenreliquien verehren und einfach zur Ruhe kommen. Beim Hinaustreten in die Sonne ergibt sich leicht ein Gespräch, sei es im Devotionalienladen oder mit einer Nonne, die im Hof gerade Kichererbsen sortiert, oder einem Mönch, der die Treppe fegt. Nach den üblichen Fragen zum Woher und Wohin wird ein Wasser zur Erfrischung angeboten, vielleicht auch ein griechischer Mokka.
Ja, so kann sich leicht ein Gespräch ergeben, das nicht nur im Reden und Zuhören besteht, sondern das durch die klösterliche Sicht auf die Welt eine Änderung der Perspektive und damit eine Neubewertung der Alltagssorgen ergeben kann. Manchmal bedarf es keiner großen Predigten, um die Erinnerung an die häufig zurückgedrängte religiöse Dimension zu wecken, und oft eröffnet schon alleine die Umstellung der Rangordnung dessen, was im Leben wichtig erscheint, neue Horizonte und frische Lösungen. Beim Kaffee erzählen die Besucher ihre Lebensgeschichten und die Nonnen und Mönche kleine und große Wundergeschichten.
Auch ohne Athos oder Kloster auf Zeit irgendwo in einem Klösterchen können solche kleinen Besichtigungen und spontanen Besuchsfahrten mit der ganzen Familie die Seele auftanken lassen bei einem lockeren Gespräch mit einem Tässchen Kaffee, während die Kinder im Klosterhof die Katzen streicheln oder zwischen den Säulen Fangen spielen. Es wäre jedem zu wünschen, im Urlaub, gleichgültig in welches Land die Reise geht, die Erholungszeit auch für die Seele zu nutzen, für die im Alltag meist zu wenig Zeit bleibt, die aber auch Erholung und Orientierung sucht.