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Wort zum Wochenende

Demokratie ist nicht selbstverständlich

Demokratie ist täglich Angriffen ausgesetzt, so Dr. Josef Schustr

Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie ist tagtäglich Angriffen ausgesetzt. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Beispiel dafür – seit dem 24. Februar 2022, schon fast ein ganzes Jahr kämpfen die Ukrainer für ihre Selbstbestimmung und ihr demokratisches System. Die beeindruckende Mobilisierung einer freien Gesellschaft gegen die Armee einer Diktatur verdient nach wie vor unsere Solidarität.

Doch Demokratie kann auch von innen gefährdet und ausgehöhlt werden. Vor 90 Jahren, am 30. Januar 1933, kam Adolf Hitler in Deutschland an die Macht. Er konnte sich auf eine demokratisch gewählte Mehrheit im Parlament stützen – seine Partei, die NSDAP, ging eine Koalition mit einer nationalkonservativen Partei ein. Hitlers Ziel war es dabei von Anfang an, die Demokratie zu zerstören. Schnell wurden politisch Andersdenkende, Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle und andere Minderheiten terrorisiert und verfolgt. Doch in der deutschen Bevölkerung konnte die Bewegung der Nationalsozialisten auf breiten Rückhalt rechnen – bis zum bitteren Ende.

Haben wir aus der Geschichte gelernt? Wissen wir die Demokratie, die Beteiligung des Volkes an der Willensbildung, wirklich zu schätzen? Ein Tag wie der 30. Januar darf nicht zur reinen Dämonisierung oder Abschreckung herhalten. Er muss uns vielmehr bewusstmachen, wie fragil Demokratie ist. Menschenfeindlichkeit hat in Parlamenten keinen Platz! Dass „Reichsbürger“ und andere Rechtsextremisten unlängst einen Umsturz planten, ist ein Alarmsignal. In der Bundesrepublik Deutschland sehe ich das demokratische System insgesamt stabil und gefestigt. Trotzdem mussten wir Juden gerade während der Corona-Pandemie feststellen, wie schnell Menschen anfällig werden für Verschwörungsmythen und Antisemitismus, sobald sie sich in einer Ausnahmesituation befinden.

Dass Menschen in der westlichen Welt, die freies Wahlrecht, das Recht der freien Meinungsäußerung und Religionsfreiheit genießen, sich dennoch von der Demokratie abwenden, ist ein Phänomen, dem wir uns stellen müssen. Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie muss immer wieder neu erarbeitet und verteidigt werden. Wohin die Zerstörung der Demokratie durch die Nationalsozialisten führte, macht uns der heutige Gedenktag bewusst: Am 27. Januar 1945 wurde das deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Mehr als eine Million Menschen, die meisten von ihnen Juden, wurden dort von den Nazis ermordet. Wenn der Bundestag heute der Opfer des Nationalsozialismus gedenkt, ist das kein leeres Ritual. Es zeigt uns, wohin Demokratiefeindschaft, Menschenverachtung und Imperialismus führen können, wenn wir uns nicht zur Wehr setzen. Dazu gehört in Zeiten schwindender Zeitzeugen der Schoa zu einem großen Teil die wichtige Arbeit der KZ-Gedenkstätten.


 

Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland