„Bringer“ oder „Loser“?
Heute werden an den bayrischen Gymnasien nach Deutsch und Mathematik die Prüfungen im 3. Abiturfach geschrieben. An den Mittelschulen geht der Quali in die heiße Phase, woanders die Prüfungen zur Mittleren Reife, bei den Jüngeren geht es um die Empfehlung für die weiterführende Schule. Jetzt sind Hochleistungen gefragt und in wenigen Wochen werden die allermeisten stolz und zufrieden ihre Abschlusszeugnisse in den Händen halten. Etwas geleistet zu haben ist gut für unser Selbstwertgefühl und steigert unseren Marktwert. Wenn nur das Vergleichen nicht wäre.
Leistungsbereitschaft, Leistungsträger, Leistungsgesellschaft – diese Begriffe sind allgegenwärtig. Da werden Vorgaben gemacht und Ziele gesteckt, die es zu erreichen gilt. Der einen gelingt das mühelos, der andere muss sich mächtig anstrengen und wieder ein anderer wird auch im dritten Anlauf noch scheitern. Ist dann die eine mehr wert als der andere? „Bringer“ und „Loser“? Menschen setzen sich ungeheuer unter Druck, um mit anderen mithalten zu können, um den Vergleich zu bestehen, und das tut ihnen dann meist gar nicht gut.
Der Glaube sieht den Menschen als Geschöpf, als so gewollt und so geschaffen. Und vor allem: als so begabt. Was einer kann, wofür eine Talent hat, das sind Gaben des Schöpfers. In unserem Wort „Begabung“ ist dieses Bewusstsein ja aufbewahrt. Zur Gabe kommt die Aufgabe, diese auch zu entwickeln. Mit jedem Talent gehen Gelegenheiten einher, die ergriffen werden wollen, Möglichkeiten, die Wirklichkeit werden wollen. Die sind natürlich nicht bei allen die selben. Die Vielfalt ist schöpferische Absicht!
Unter diesem Blickwinkel zeigt sich, wie wenig es dem Menschen gerecht wird, wenn er sich mit anderen vergleicht, sich unter Druck setzt um mitzuhalten auf Feldern, die nicht seine sind und dafür vernachlässigt und unentwickelt lässt, was ihm doch planvoll geschenkt ist. „Wenn du in den Himmel kommst, wirst du gefragt werden: warum bist du nicht du gewesen?“, so endet eine humorige, aber zutiefst weise Geschichte.
Im Markusevangelium ist eine Begebenheit erzählt, die genau dazu ermutigt: die eigenen Gaben hochzuschätzen und sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Da erfahren wir von einer armen Witwe, einer Frau die nach allgemeinen Maßstäben nur wenig, fast nichts zur Verfügung hat. Dennoch gibt sie etwas ab. Sie will damit der Not anderer abhelfen. Sie macht etwas aus dem, was sie hat, heißt das. Jesus hat für die Frau höchstes Lob. Er schaut nicht auf die Summe ihrer Gabe im Vergleich zu den Gaben anderer. Er schaut auf ihre Möglichkeiten und darauf, dass sie die voll ausgeschöpft hat. Sie hat alles gegeben.
Wer mit solchen Augen auf die eigene Leistung schaut, gleich in welchem Bereich, der tut sich selber etwas Gutes, weil er einfach „nur“ er selber sein kann.
Antje Biller