500 Jahre Bibel für alle
Seit 2017 können wir Jahr für Jahr 500-jährige Reformationsjubiläen feiern. In diesem Jahr sticht das „Septembertestament“ heraus, das 1522 erschienen ist. Es handelt sich um Luthers erste Übersetzung des Neuen Testaments, das damals im September in erster Auflage erschien. Noch auf der Wartburg hatte er es übersetzt. Zwar gab es schon deutsche Übersetzungen der Bibel. Aber Luthers Übersetzung hatte nicht eine lateinische Übersetzung, sondern das griechische Original zur Vorlage. Zudem war er ein besonders begnadeter Übersetzer. Es gab auch noch nicht wirklich eine gemeinsame deutsche Literatursprache.
Die Übersetzung ist aber nicht nur eine sprachliche Leistung. Sie hat geistliche Gründe und Bedeutung. Denn sie richtet sich nicht an Sprachforscher, sondern an die christliche Gemeinde. Jeder und jede sollte die Bibel lesen oder sich vorlesen lassen können. Denn der Glaube betrifft das persönliche Leben. Deshalb beginnt das Glaubensbekenntnis nicht mit „Man glaubt…“ oder „Die Kirche glaubt…“, sondern mit „Ich glaube…“ oder mit „Wir glauben…“. Ich kann es nicht anderen überlassen, für mich zu glauben. Denn wenn ich glaube, erfahre ich, was Gott für mich ist und tut.
Durch die Evangelien und die Briefe des Neuen Testaments werden wir angesprochen, auch wenn diese Texte fast 2000 Jahre alt sind. Die Stimme Gottes darin spricht unser Gewissen und unser Herz an. Dazu muss ich aber die Sprache verstehen können. Die Übersetzung ist der erste wichtige Schritt, damit Menschen, die kein Griechisch können, das Neue Testament verstehen. Die regelmäßige Lektüre und die Predigt vertiefen das Verständnis. Sie sind eine tägliche Anrede an meinen Verstand und mein Herz. Auch nach jahrelanger Lektüre der Bibel stoße ich immer wieder auf neue Erkenntnisse und erlebe Gottes Zuspruch neu.
Der Reformation war es wichtig, dass alle die Bibel kennenlernen, damit wir eine Kirche von mündigen Christenmenschen sind. Zunächst war ein gedrucktes Buch noch sehr teuer und für Menschen mit geringem Einkommen kaum zu bezahlen. Auch konnten viele Menschen überhaupt nicht lesen. Trotzdem war die erste Auflage sehr schnell vergriffen. Viele Drucker fertigten „Raubkopien“ an, was damals legal war. Martin Luther wollte ohnehin kein Geld für seine Übersetzung, da sie kein kommerzielles Projekt war, sondern eine geistliche Aufgabe. Die Drucker haben trotzdem daran verdient. Die Reformation hat auch das Schulwesen reformiert und auch Schulbildung für Mädchen gefördert, denen damals kaum eine Schule offenstand. Später wurden Massendruckverfahren entwickelt, die es ermöglichten, handlichere und preiswertere Bibeln zu drucken, die auch in ärmeren protestantischen Häusern Eingang fanden.
Am 31. Oktober werden wir auch den Beginn dieser Entwicklung der Bibelübersetzung feiern. Um 19.00 Uhr wird es im Rudolf-Alexander-Schröder-Haus einen Theologischen Abend mit Podiumsdiskussion zu diesem Thema geben.
Dekan Dr. Wenrich Slenczka